
Volksstimme vom 13.07.2010 von Daniel Wrüske
Fachkräftemangel – das Schlagwort geistert durch die Wirtschaftsnachrichten. Experten weisen auf fehlende kompetente Arbeitskräfte hin. Durch Qualifizierung und gezielte Weiterbildung von jugendlichen und erwachsenen Wieder- und Neueinsteigern werden neue Ressourcen für den Arbeitsmarkt erschlossen. Der Schönebecker Bildungsträger Teutloff hat das frühzeitig erkannt und setzt in seinem Hightech-Center vor allem auf den Metallbereich mit seinen modernsten Sparten. Die Vermittlungschancen auf den ersten Arbeitsmarkt stehen gut, auch weil Teutloff engen Kontakt zu Firmen in der Region hat.
Schönebeck. Als für Andreas Graichen im September 2009 nach nur zwei Jahren Arbeit das Aus im Drahtwerk Brumby kam, stand für den 36-Jährigen fest: "Ich komme nur weiter, wenn ich dazulerne." Und auf der Stelle stehen bleiben wollte der Brumbyer nicht. Er sei kein Typ für die Couch, sagt er. Die erste Arbeitslosigkeit brachte ein bisschen Existenzangst mit sich. Andreas Graichen verzagte nicht, sondern machte sich motiviert auf die Suche nach neuer Arbeit. Sein Weg führte ihn direkt in das Teutloff-Hightech-Center in Schönebeck. Hier suchte er das Gespräch mit Leiter Peter Beyer und erfuhr von vielen Qualifizierungsmöglichkeiten im Metallbereich, Schulungen an modernen Maschinen, Vermittlung von theoretischem Fachwissen und Programmierfähigkeiten. Andreas Graichen, der Berufskraftfahrer war, wollte unbedingt wieder etwas mit Metall machen, wie im Drahtwerk Brumby. "Die Arbeit machte Spaß. Sie war abwechslungsreich und ich konnte am Ende des Tages ein Ergebnis meines Wirkens sehen. Zudem waren die Arbeitszeiten – anders als im Brummi auf der Straße – geregelt. "
Bei Teutloff in Schönebeck rannte der Brumbyer mit seiner Anfrage offene Türen ein. Hier würde man ihn als einen "typischen Quereinsteiger" bezeichnen. Denn eigentlich kommen die Teilnehmer über die Vermittlung und Bildungsgutscheine der Arbeitsverwaltungen (Agentur für Arbeit, ArGe, KoBa) in die Maßnahmen. Manche werden von ihren Firmen geschickt, und manche klopfen eben einfach an die Tür.
Seit 20 Jahren werden in den Einrichtungen des Bildungsträgers Jugendliche und Erwachsene ausgebildet, die Bereiche sind dabei weit gefächert. In Bad-Salzelmen zog 1991 in den ehemaligen Leuchtenbau, Konsumgüterproduktion des Dieselmotorenwerkes, eine Außenstelle von Teutloff Schönebeck ein. Mit 20 Teilnehmern begann damals die erste Qualifizierungsmaßnahme in den Berufsrichtungen Elektroinstallateur und Industriemechaniker. Sieben Jahre später dann die Umstrukturierung. Der Bildungsträger beobachtete damals wie heute die Entwicklungen auf den Märkten und in der Industrie. Peter Beyer: "Es zeichnete sich ab, dass Fachkräfte fehlen." Die Ursachen dafür waren vielfältig, so der Diplomingenieur, geburtenschwache Jahrgänge und Abwanderung. Die Maschinenbaufirmen suchten für ihre neu angeschaffte moderne Zerspanungstechnik Fachkräfte, die diese bedienen, steuern und einrichten konnten. In Salzelmen wurde man dem Trend gerecht: Weiterbildung im CNC-Bereich an modernen Dreh- und Fräsmaschinen. 1999 kamen die Konstruktion im 2-D-Bereich, ein Jahr später die 3-D-Konstruktion dazu.
Heute setzt das Haus drei Schwerpunkte. Technische Zeichner aller Gewerke und Konstrukteure kommen aus den Kursen der CAD-Anwendungen. Daneben liegt ein Fokus auf der Automatisierungs- und Steuerungstechnik. Hier lernen die Teilnehmer die Software an den computergesteuerten Maschinen einzurichten und zu steuern (SPS, Elektrotechnik und Sensorik, Hydraulik und Pneumatik). Den dritten Bereich macht die computergesteuerte Dreh- und Frästechnik mit verschiedenen Steuerungsarten aus (CNC). "Hauptmerkmal der Schulungen ist die Verknüpfung von zumeist computergestütztem Lernen und praktischen Übungen in Werkstätten mit moderner technischer Ausstattung", erklärt Peter Beyer.
Ein Pool an Möglichkeiten, in dem sich Teilnehmer wie Andreas Graichen, beruflich "tummeln" können. Denn die Bereiche sind in verschiedene Module unterteilt. Die reichen von der Grundkenntnisvermittlung bis hin zu firmenspezifischer Qualifizierung – immer Theorie und Praxis.
Entsprechend der Voraussetzungen und der Zielstellung dauert die Qualifizierung zwischen vier bis zwölf Monaten. Der Brumbyer wollte alles und wusste: "Wenn weiterbilden, dann komplett!" Er eignet sich neues Wissen an. Orientierung dabei gibt ein individueller Weiterbildungsplan. Den haben die Experten von Teutloff zusammen mit dem 36-Jährigen aufgestellt. Als Neuling startete er im September 2009 beim Bildungsträger, ein Jahr später sollte er seine Qualifizierung beenden. Grundkurse in Mathematik liegen dann genauso hinter ihm wie beispielsweise Programmieren. Nun kann er die Maschinen in seinem zukünftigen Unternehmen nicht nur bedienen, sondern auch programmieren, um- und einstellen, dazu Werkstückpläne technisch zeichnen, messen und prüfen.
Die Abschlüsse sind wie die einzelnen Weiterbildungsmodule bei Teutloff zertifiziert. Demnächst wird der Weiterbildungsabschluss von der IHK anerkannt sein.
Doch schon jetzt gibt es mit den Abschlüssen echte Perspektiven. Teutloff arbeitet mit einem Unternehmenskreis zusammen, zu dem gut 150 Firmen aus ganz Sachsen-Anhalt und darüber hinaus gehören. Die Teilnehmer finden vor allem Arbeit in Maschinenbaufirmen, insbesondere bei Zulieferern der Autoindustrie. Eigenen Ergebnissen zufolge liegt die Vermittlungsquote bei Teutloff zwischen 80 und 90 Prozent. Andreas Graichen gehört zu denen, die einen Job im Blick haben. Die IFA-Rotorion Holding in Haldensleben sucht nach einer Fusion mit einem Unternehmen in Friedrichshafen am Bodensee händeringend nach Fachkräften. 150 Mitarbeiter sollen eingestellt werden und der Brumbyer war schon zu zwei Gesprächen. Neueste Nachricht: Er wird ab August dort arbeiten. Dass er dann täglich fast 70 Kilometer zur Arbeit fährt, macht Andreas Graichen nichts aus. Er hat die Chancen für einen beruflichen Neuanfang im Blick. "Ich habe Arbeit, die mir Spaß macht. Die größte Motivation, sich dafür ins Auto zu setzen."